Heimwerkerrampen, ein Wiedersehen mit dem Schdrom und Tulcea in Arbeit


  1. Tag: Donnerstag, 19. Mai

Strecke: Chișinău – Hîncești – Cahul (MD) – Galați (RU) – Tulcea

Streckenlänge: 313 km

Raus aus der Stadt, zurück zur Gelassenheit, zurück auf einsame Pisten. Ein weiteres moldawisches Kuriosum, neben den zahlreichen Autowerkstätten gibt es öffentliche Steinrampen für Heimwerker: Rauf auf die Plattform mit dem Vehikel und Werkzeug frei!
Viel Gegend auf dem Weg Richtung Galați, eine unaufgeregte pittoreske Landschaft soweit das Blickfeld reicht. In der rumänischen Hafenstadt Galați gibt es ein Wiedersehen mit dem Schdrom. Eine Autofähre schifft kleine und große Brummer über die Donau. Am anderen Ufer angekommen ist es nicht mehr weit nach Tulcea, der Pforte zum Donaudelta. Eine Hafenstadt in Arbeit, die Uferpromenade wird gerade neu gestaltet. Das bunte Treiben am Kai ist verschwunden, ebenso wie die unzähligen Schiffe an den Anlegestellen, alles Baustelle. Trotz allem, Tulca hat Charme, vom Unabhängigkeitsdenkmal auf einem Hügel schweift der Blick über die Stadt, bis ins Delta und am Horizont bis in den südlichsten Teil der Ukraine.
Ein liebevoll betriebener Campingplatz sowie Ivans Fish-Bar lassen den Tag reizvoll ausklingen. Sowohl der Hecht als auch der Zander, darüber hinaus der Cuvee und der Pálinka – eine Wucht!

Eine weitere Grenzüberschreitung, hüben wie drüben und kostenlose Freuden


  1. Tag: Mittwoch, 18. Mai

Strecke: Iași – Sculeni (RO) – Călărași (MD) – Chișinău

Streckenlänge: 150 km

Das Verlangen weiter in Richtung Osten vorzudringen lässt nicht nach. Bei Sculeni wird die Grenze in die Republik Moldau überschritten. Das umgangssprachliche Moldawien existiert als eigenständiger Staat erst seit 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion. Landschaftlich bleibt alles wie gewohnt: Felder, Dörfer, Wälder. Das Automobil rollt einsam über Landstraßen in Richtung Hauptstadt, erst in Chișinău staut sich wieder das Blech. Die Stadt wirkt zerrissen, ein Stückwerk aus bröckelnden Fassaden und Spiegelglaspalästen. Irritierend, an jeder Ecke wirbt eine Geldwechselstube für den besten Kurs. Der Zentralmarkt der Stadt ist ein Erlebnis für sich, es gibt alles was dem Gaumen guttut und ebenso alles was niemand braucht und alles zusammen im Überfluss.
Im zentralen Ștefan-cel-Mare-Park – Ștefan cel Mare einer der bedeutendsten Herrscher der rumänischen Vorläuferstaaten und die zentrale Figur in der Erinnerungskultur der moldauischen Bevölkerung – wird öffentlich getanzt. Eine Box auf einer Parkpank sorgt für den Rhythmus, die Zeremonienmeisterin daneben interpretiert inbrünstig traditionelle Volksweisen. Um sie herum schwingt eine Gruppe Senior_innen, die Männer deutlich in der Unterzahl, im Takt. Drei Mal die Woche trifft sich das agile Grüppchen im Park, immer um 15 Uhr. Ab und an mischen sich Passantinnen ins Geschehen ein, auch die Jugend schwingt mit. Die Szene verschmilzt zum generationsübeschreitenden Gesellschaftstanz. Freude in den Gesichtern, ein kostenloser Spaß im öffentlichen Raum!

Hoch die Fahnen, ein Hoch auf Iași und Hoch lebe die Gastfreundschaft


  1. Tag: Dienstag, 17. Mai

Strecke: Suceava – Botoșani – Iași

Streckenlänge: 151 km

Was auffällt, die Rumän_innen lieben ihre Flagge, ob in den Dörfern oder in der Stadt, überall weht die Tricolore – Blau-Gelb-Rot. Von offiziellen Gebäuden, von Häuserfassaden oder in Wimpelform quer über die Straße. Die Kleinstadt Botoșani ist leergefegt, nur am lokalen Markt ist Bewegung. Hausgemachte Produkte wiederbefüllt in Pet-Flaschen und Rex-Gläser vertrauter Hersteller. Gartenprodukte neben China-Ware und jede Menge Blumenläden, neben den frischen Schnittblumen türmen sich Grabgestecke aus Vollplastik. Von Botoșani nach Iași sorgt eine kilometerlange Baustelle für schlechte Laune, später breitet sich eine sanft hügelige Landschaft aus und beruhigt das Gemüt. Felder bis zum Horizont, malerische Dörfer mit freilaufendem Federvieh, den Schafen, Rindern und Pferden gehören die noch saftigen Wiesen.
Iași die einstige Hauptstadt des Fürstentums Moldau liegt eingebettet zwischen sieben Hügel. Während des Ersten Weltkrieges war Iași provisorische Hauptstadt Rumäniens. Es wird ein freundlicher Empfang, ein schmucker Stadtkern und auch ein „Stammbeisl“ ist gleich gefunden. Hier treffen jung und alt, Trinker und Student_innen zusammen, eine Oase an einem heißen Tag.
Nach dem verpflichtenden Zentrumsrundgang zerstreut eine Stadtausfahrt mit der Tram. Die Wahl fällt zufällig auf die Linie 7, eine alte Garnitur mit Stoffsitzen. Die Historie ziert das Zentrum, kurz außerhalb verschwindet der Chic und es dominieren die Plattenbausiedlungen realsozialistischer Bauart. Verstreut einige Supermärkte, Kioske, Spielhallen und an jeder zweiten Kreuzung eine Autowerkstatt. Der Hunger treibt zurück ins Zentrum und als Schlummertrunk wartet ein Achterl Pálinka. Den Obstbrand spendiert ein junger Student, Gastfreundschaft steht in Rumänien ganz oben auf der Liste!

Eine Bärenfährte, ein Weltkulturerbe und von Hühnern umzingelt


  1. Tag: Montag, 16. Mai

Strecke: Gura Lalei – Sucevița – Suceava

Streckenlänge: 164 km

Es bringt Frohsinn, wenn die wärmende Sonne hinter dem Berggipfel auftaucht. Frühstück auf der Alm mit anschließendem Geschirrabwasch im Bach. Auf der Spur des Bären führt der Weg zurück zum Ausgangspunkt. Auf den Nebenstraßen mischt sich ein weiterer Teilnehmer ins Verkehrsgeschehen ein, das Pferdefuhrwerk. Zwei Pässe und ein Weltkulturerbe weiter, das Moldaukloster Sucevița, landet das Automobil auf einer unbefestigten Straße mitten am Dorfplatz, umringt von noch lebendigem Hühnerfleisch. Vom versprochenen Campingplatz keine Spur, also doch wieder ein gemachtes Bett in der Kreishauptstadt Suceava.

Kirchgang, Einserpanier und ein Wandertag mit Hindernissen


  1. Tag: Sonntag, 15. Mai

Strecke: Sighetu Marmației – Bârsana – Borșa – Gura Lalei

Streckenlänge: 120 km
Wanderung: 4 h

Sonntag ist Kirchtag, aus allen Ecken strömen fromme Menschen in Richtung Bethaus. Dem Schöpfer zu Ehren, alle in der Einserpanier: Die Frauen tragen Faltenrock, weiße Bluse und Kopftuch, Rock und Kopftuch sind farblich ident, von bunt gemustert bis einfärbig schwarz. Die Männer treiben weniger Aufwand, die meisten kombinieren schwarze Hose, weißes Hemd und ein pelziges Gilet. Ob Stadt, ob Dorf, ob jung, ob alt, alle sind unterwegs, so auch im Mănăstirea Bârsana.
Der Gottesdienst wird im Freien abgehalten, ein Engelsgesang aus Frauenstimmen begleitet die orthodoxe Liturgie. Der Kreis Maramureș ist auch bekannt für seine zahlreichen Holzkirchen, das Resultat eines Verbotes orthodoxe Kirchen aus Stein zu errichten. Die Holzkirchen-Dörfer-Tour führt hinein ins Rodna-Gebirge, das Ziel ist der Lacul Lala Mare, einer von 28 Gletscherseen im Nationalpark. Immer der reissenden Lala entlang, bis zum See. Haus und Küche werden im Rucksack verstaut, der Einstieg in die „einfach“ beschriebene Route verläuft nach Plan. Eine Forststraße, immer zart bergauf. Die Tücken liegen im Detail: unzählige entwurzelte Bäume versperren den Weg, die Schneeschmelze macht den Fußweg zum Rinnsal und später auf schattigen Waldpfaden liegt noch tiefer Schnee. Eineinhalb Kilometer vor dem Ziel bleibt der erste alpine Ausflug der Reise im Schnee stecken. Rückzug mit Gepäck, auf einer Wiese gespickt mit Krokusblumen wird das Mobilheim errichtet, Bärenspuren ignoriert, das Nudelwasser aus dem Bach geschöpft und eine Fertig-Pasta zubereitet. Für ein Flascherl Rotwein war auch noch Platz im Rucksack …

Ein Puszta-Stückerl, unwirkliche Paläste und eine lustiger Friedhof


  1. Tag: Samstag, 14. Mai

Strecke: Tiszafüred – Hortobágy – Debrecen (HU) – Carei (RU) – Satu Mare – Negrești-Oaș – Săpânța – Sighetu Marmației

Streckenlänge: 288 km

Unendliche Weiten, Steppe soweit die Augen sehen: Rindvieher in Gruppen, Störche auf der Suche nach Kriechtieren, unterschiedlichstes Gefieder und vereinzelte Ziehbrunnen. Rund um Hortobágy breitet sich Ungarns größter Nationalpark aus, ein echtes Puszta-Stückerl. Debrecen wird durchrollt, bleibt aber unbeachtet. Mit dem Grenzübertritt ändert sich auch das Landschaftsbild: Feld reiht sich an Feld und die Früchte warten am Straßenrand auf Abnehmer_innen. Derzeit im Überangebot, die Erdbeere. Gartenhäuser prägen die Dörfer, die Plattenbauweise regiert die Städte. Nach Satu Mare schraubt sich eine kurvenreiche Landstraße, weg von der Ebene, in eine saftig grüne Hügellandschaft. Eine Kuriosität am Weg ist das Dorf Certeze, protzige Päläste säumen die Straßenränder, der in Beton gegossene Stolz der Arbeitsmigrant_innen. Fast ganzjährig unbewohnt, nur in den Sommerferien steht ein dicker Schlitten vor der Haustür. Es gibt ein Wiedersehen mit der Theiß, über mehrere Kilometer bildet sie die Grenze zur Ukraine. In Săpânța sorgt der „Fröhliche Friedhof“ für Gäste. Der inzwischen selbst verstorbene, ortsansässige Künstler Stan Ioan Pătraș, hat über Jahre die hölzernen Grabstelen mit bunten Bildern und flotten Versen über die Leben der Verstorbenen versehen. Der abgebildete Mann hat sich sehr wahrscheinlich mit seinem roten SUV „derstessen“!
Am Campingplatz von Sighetu Marmației steht kniehoh das Gras und der Betreiber schüttelt bedauernd sein Haupt … Heute gibt es wieder Bett mit Leintuch und Decke!

Ungarn querfeldein, ein Erholungsgebiet in Arbeit und eine Wolke aus Durst


  1. Tag: Freitag, 13. Mai

Strecke: Dömös – Visegrád – Szentendrei – Aszód – Hatvan – Tiszafüred

Streckenlänge: 204 km

Gaskocherkaffee bei Nieselregen, Hausabbau, Weiterfahrt. Bei Visegrád biegt sich die Donau zu einem Knie, oben am Berg sitzt fett die Burg der ungarischen Könige. Die touristische Hoch–Burg Szentendrei, ein aufpoliertes Schmuckstück direkt am Schdrom, ist die letzte stille Oase vor der ausufernden Hauptstadt. Budapest wird nur am Rande gestreift und die Räder rollen querfeldein weiter Richtung Osten. Die landschaftlichen Reize unterweg wissen sich bis zur Puszta-Ebene gut zu verstecken. Die Theiß ist der längste Nebenfluss der Donau und der Theiß-See ist die unaufgeregtere Variante zum Plattensee, sehr beliebt bei Anglern und blutsaugenden Mistviechern. Ein Biotop aus Wasser, Schilf und einem Schleier aus weißen Pollen. Die an der Theiß angelehnten Ortschaften befinden sich in der Vorbereitungsphase auf die Sommersaison, die Booterln werden ins Wasser gelassen, die Verpflegungsstationen bekommen einen neuen Anstrich und die Campingplätze erholen sich noch vor dem großen Ansturm. Den lauschigen Abend stört nur das Surren rund um die Ohren: „1.000 Gelsen, eine Wolke aus (Blut-)Durst!“

Entschleunigte Anreise, klappernde Störche und immer den Schdrom entlang


  1. Tag: Donnerstag, 12. Mai

Strecke: Wien – Kittsee (AT) – Komárno (SK) – Štúrovo – Esztergom (HU) – Dömös

Streckenlänge: 242 km

Vorhang auf – endlich wieder! Die Mutation ist frühjahrsmüde und die Koffer werden wieder gepackt. Diesmal bleibt das muskelbetriebene Zweirad zusammengefaltet zu Hause und das benzinbetriebene Vierrad wird aktiviert. Für den Anreisetag ist eine Kurzstrecke die beste Option. Auf entschleunigten Wegen jenseits der Hauptverkehrsadern werden Grenzen getauscht. Die erste Station ist das slowakische Komárno, die Schwesterstadt der ungarischen Ansiedlung Komárom, getrennt durch den Schdrom, miteinander verbunden durch drei Brücken. Irgendwann waren die beiden Hälften eins, heute liegt das einstige Stadtzentrum auf der slowakischen Seite. Auch die Festung des einstigen Königsreichs Ungarn, wo sich bereits die anstürmenden Osmanen die Zähne ausgebissen haben. Darüber hinaus öffnete der Komponist Franz Lehár in der ehemaligen K&K Monarchiestadt das erste Mal seine Augen. In den Dörfern am Weg klappern die Störche, einige Radumdrehungen weiter, thront am ungarischen Donauufer die Basilika von Esztergom. Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis zur heutigen Bettenstation, das Zelt steht fast direkt am Schdrom. Das Nass ist noch kühl, sich schdromabwärts treiben zu lassen macht große Freude. Die Reiseschiffe in der Gegenrichtung plagen sich dafür ordentlich …

ps: „Schdrom“ (© Ernst Molden), gleichzeitig eine schwer ans Herz gelegte Schallplattenempfehlung (2016 erschienen bei Monkey Music), steht für die Donau.

Vorhang-Auf-Tour @ Treibgut


Noch einmal wird der Eiserne Vorhang aufgerollt, also abgeradelt. Mit dem Faltrad! Die «Vorhang-Auf-Tour» macht Station im Treibgut-Gastrocontainer der Moserei im Almtal. Die Bildstrecken werden diesmal begleitet von Kontrabass, Schlagzeug und Synthesizer. Ein grenzenloses Bild-Ton-Erlebnis!
https://www.treib-gut.org/veranstaltungen.html

Verregneter Abschied, schdromaufwärts und eine Zusammenfassung


  1. Tag: Freitag, 8. Oktober

Strecke: Bezdan (SRB) – Budapest (HU) – Wien (A)

Streckenlänge: 448 km

Das Frühstück wird im Vierrad konsumiert, Fenster zu, Regentropfen verstellen einen klaren Blick auf den Schdrom. Der Rest ist schnell erzählt: rauf auf das graue Band, immer die Donau entlang, schdromaufwärts, durch Ungarn durch, rein in eine politische Krise, bis zur Abfahrt Wien/Erdberg, …
Zu Hause haben sich die Ereignisse überschlagen, was auch immer passiert, eine LINKSwende muss her!

In diesem Sinne eine kurze Zusammenfassung:

Reisetage: 20

Länder: Österreich, Ungarn, Serbien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Türkei und retour.

Übernachtungen: 7 Nächte im Zelt, 12 Nächte im gemachten Bett

Gefahrene Kilometer: 4.459

Vielen Dank für‘s Mitreisen/-lesen …,
bis zur nächsten Ausfahrt!
Alles Liebe
Mario